Rückblick Fachaustausch vom 13. April 2022
Krieg in der Ukraine – Haltung und Umgang finden und handlungsfähig bleiben

Den Krieg in der Ukraine nahm unser Kompetenznetzwerk zum Anlass für einen digitalen Fachaustausch zu den pädagogischen Herausforderungen des Krieges hierzulande im Bereich der Schul- und Jugendbildung. Ziel war es, auf den aktuellen Austausch- und Informationsbedarf schulischer und außerschulischer pädagogische Fachkräfte einzugehen und ihnen eine Plattform und ein Unterstützungsangebot zur Verfügung zu stellen.

Mit den 28 teilnehmenden Pädagog*innen, politischen Bildner*innen, Wissenschaftler*innen und Multiplikator*innen sammelten wir die brennendsten Fragen, u.a.:

  • Wie soll man das Thema in Klassen ansprechen? Welche Methoden / Materialien gibt es dazu?
  • Viele ehemals geflüchtete Schüler*innen kritisieren/beneiden die große Hilfsbereitschaft für geflüchtete Menschen aus der Ukraine .Wie geht man damit in der Schule um?
  • Wie können wir die Krise, den Krieg „nutzen“, um eine diskursive, diverse Schule zu gestalten?
  • Wie kann der Fokus auf ukrainische Geflüchtete auch für nicht ukrainische Geflüchtete genutzt werden?
  • Wie können Lehrkräfte mit Konflikten innerhalb der Klasse bei prorussischen und proukrainischen Haltungen umgehen?
  • Sind die (pädagogischen) Herausforderungen im Kontext aller durch den Krieg auch außerhalb der ukrainischen oder russischen Community gestiegen?
  • Wie lässt sich die Thematik in Grundschulen gut behandeln?

Mit einem Impuls von Dr. Steve Kenner, Gastprofessor für Demokratiebildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung an der Freien Universität Berlin, erfolgte eine fachliche Einordnung der Thematik. Einige der zuvor gesammelten Fragen wurden im Impulsvortrag aufgegriffen und konnten beantwortet werden. So betonte er, dass das sogenannte Neutralitätsgebot die Schule und Lehrkräfte nicht daran hindern sollte, politische Themen anzusprechen. Im Gegenteil sei es wichtig, gesellschaftlich relevante Themen in den Unterricht einzubinden. Die Schüler*innen sollten dabei mit der Nutzung partizipativer Methoden zum Austausch eingeladen werden. Diese und weitere Handlungsstrategien wurden von Prof. Dr. Kenner konkretisiert und anschließend von den Teilnehmenden diskutiert.

Praxistipp: Materialien- und Methodensammlung zur Behandlung des Krieges in der Ukraine (erstellt von der Arbeitsgruppe „Demokratie braucht Haltung“ in der GEW Niedersachsen und dem Landesverband Niedersachsen der Deutschen Vereinigung für politische Bildung (DVPB) e.V.).

zur Materialiensammlung

Im anschließenden Gespräch mit Thomas Makowski, von der Laborschule Bielefeld, gelang es, die Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schlagen und anhand des Beispiels der „Aktuellen Stunde“ in der Schule zu zeigen, wie man:

  • altersgerechte Zugänge zum Thema Krieg schafft
  • dem Informations- und Redebedürfnis und dem Wunsch bzw. Anspruch der Schüler*innen nach Normalität nachkommen kann
  • gelingenden problemorientierten und kritischen Unterricht gestalten kann, indem Sprache, Ideologie und Propaganda hinterfragt wird

 

Thomas Makowski gab Antworten auf die Fragen zur Handlungsfähigkeit in Kriegs- oder Krisensituationen und der Gefahr der Propaganda als Quelle in der Schule.

Dabei stellte er drei Thesen zum Weiterdenken auf:

  1. Um Diskursfähigkeit als langfristiges Bildungsziel auszubilden, ist es notwendig, Schüler*innen/ Jugendliche Diskurse führen zu lassen. Dafür braucht es Anlässe und zur Verfügung stehende Unterrichts-bzw. Redezeit für die SchülerInnen.
  2. Die Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs erreichen wir schrittweise durch die Öffnung des Politikunterrichts mit Methoden des eigenständigen und selbstverantwortlichen Lernens. Dabei sollten die Schüler*innen aber auch erfahren dürfen, dass ihre Themen und Zugänge Bedeutung(en) haben.
  3. Die Aufgaben der Lehrkräfte bestehen darin, diese Prozesse sensibel zu moderieren –besonders bei der Behandlung von Krieg als Thema. Zudem sollten die Lehrkräfte für einen Ausgleich sorgen, wenn es didaktisch/inhaltlich/pädagogisch notwendig ist. Aktuelle Stunden erfordern ein hohes Maß an Flexibilität, Offenheit und Sach-Bildung der Lehrkräfte. (Quelle: Thomas Makowski, Laborschule Bielefeld)

In einer letzten inhaltlichen Runde setzten sich die Teilnehmenden mit 3 konkreten Praxissituationen auseinander, sammelten Lösungsansätze und diskutierten diese miteinander.

Zudem wurden weitere inhaltliche Austauschbedarf benannt, über die man bald vertiefend ins Gespräch kommen möchte, wie beispielweise der Umgang mit abwertenden Äußerungen und Rassismus und das pädagogische Aufgreifen von Fake News.

So endete dieser kurze, aber intensive Austausch mit viel positivem Feedback und ein bisschen gewonnener Zuversicht.